Was für eine Ruhe!
Das ist mein erster Eindruck, als ich mich am Donnerstag, den 8.9.2022 um 8:30 Uhr zur Hospitation in der Klasse C der Maria-Montessori-Schule in Dorsten einfinde. Da sind die Kinder schon seit mehr als einer halben Stunde in der ersten Freiarbeitsphase.
Insgesamt sind wir heute zehn Besucherinnen und Besucher, auf 4 Klassen verteilt. Wir haben die Möglichkeit genutzt, in der Hospitationswoche die Schule auch von innen kennenzulernen. In der gesamten Woche sind mehr als 40 Interessierte gekommen. Die meisten junge Mütter und Väter. Sie stehen vor der Entscheidung, welche Schule Ihr Kind ab dem kommenden Schuljahr besuchen wird. Ich bin als Oma gekommen, um zu sehen, was meine Enkelin in ihrer neuen Schule erlebt, die sie nun schon in der 5. Woche besucht.
Pia ist auf jeden Fall begeistert, findet Schule spannend und hat auf dem Hinweg angekündigt, dass sie direkt mit ihrem Zahlenheft weitermachen wird. Das Zahlenheft bekomme ich am Ende der einstündigen Hospitation dann auch noch zu sehen und ich bin überrascht, denn es ist schon zu mehr als 2/3 mit Akribie ausgefüllt.
Einigen Kindern begegnen wir bereits im Treppenhaus. Dort hat sich eine Kleingruppe auf Teppichen um eine Englischlehrerein versammelt und begrüßt uns bereits beim Ankommen mit einem fröhlichen „Good Morning“. Wie wir später erfahren, sind es an diesem Tag Kinder der unteren Jahrgänge, für die in dieser Schule während der Freiarbeitszeiten einmal wöchentlich eine Englisch-AG eingerichtet ist, nachdem der Englischunterricht an Regelschulen für die Jahrgänge 1 und 2 kürzlich abgeschafft wurde.
Dann sitze ich gemeinsam mit einem hospitierenden Elternpaar der Klasse C gegenüber. Zwölf Kinder unterschiedlichen Alters sind in dem großen Klassenraum an Vierertischen bei der Arbeit. Sie suchen sich in der Freiarbeitszeit ihre Arbeitsthemen selber aus, da ist ein hohes Maß an Selbstmotivation gefragt!
Einige Kinder sind allein mit einem Arbeitsblatt beschäftigt, andere arbeiten gemeinsam. Wie die zwei Mädchen, vielleicht gerade in den dritten Jahrgang gekommen, die mit großem Eifer alles Mögliche vermessen. Zunächst ist der Durchmesser von Geldstücken und die Ausdehnung ihrer Handspanne von Interesse. Mit den Möbelstücken geht es weiter, und als zur Vermessung der Tischhöhe das kleine Lineal nicht mehr reicht, holen sie einen Zollstock, den sie inklusive Aus- und Einklappen souverän handhaben. Ergebnisse werden auf dem Arbeitsblatt notiert. Als nächstes ist die Frage nach der Höhe des Klassenraums zu beantworten. „Meinst du das geht?“ „Hm, mal ausprobieren.“ Zwei Augenpaare leuchten auf und sie machen sich an der hinteren Wand mit dem Zollstock zu schaffen.
Ein Kind beschäftigt sich mehr als 20 Minuten konzentriert mit einem Notebook und setzt sich anschließend an ein Heft, um eine bereits sehr lange Geschichte zu ergänzen.
Ab und zu wird per Handzeichen eine der Pädagoginnen zu Hilfe gerufen. Sie kommen nicht immer sofort und die Kinder warten geduldig, bis sie an der Reihe sind.
Drei Pädagoginnen sind im Raum, eine von ihnen deckt den zusätzlichen Förderbedarf von zwei größeren Kindern ab, die beiden anderen Pädagoginnen stehen für individuelle Beratungen der Kinder zur Verfügung.
Wo sich weitere Kinder der Klasse befinden wird nach ca. 5 Minuten klar, als die Tür zum Nebenraum aufgeht. Dort geht es etwas quirliger zu als im Klassenraum. Diese Tür öffnet und schließt sich in der Folgezeit immer wieder, es ist ein ständiger Wechsel zwischen den beiden Räumen. Wie überhaupt im Klassenraum bei aller Ruhe und konzentrierter Atmosphäre viel Bewegung ist. Immer wieder werden Blätter in den Eigentumskästen verstaut oder neue entnommen. Rundherum stehen offene Regale, auf denen Arbeitsmaterialen liegen. Vieles wird genutzt in dieser Stunde und eben auch mal eine Ausruh- und „Kopffrei“zeit im Nebenraum.
Was die Maria-Montessori-Schule den Regelschulen noch so alles voraus hat, wird später in dem Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter Herrn Dederer noch deutlicher. Hier wird die Hospitationsgruppe in Struktur und Abläufe des Schulalltags eingeführt. Wir erfahren, wie sich Freiarbeitszeiten mit Pausen und der einstündigen Facharbeit im Tagesablauf abwechseln und dass auf Hausaufgaben verzichtet wird, was den Familienalltag deutlich entspannen dürfte. Die Jahrgangsmischung bietet Anregungen und Ruhe in den Klassenräumen, unterstützt individuelle Lernfortschritte und wirkt sich positiv auf das Sozialverhalten aus. Erwähnenswert auch die personell gut ausgestattete OGS, die auch im Jahr 2022 schon allen Kindern bei Bedarf täglich und teilweise in den Ferien bis 16 Uhr zur Verfügung steht.
Mein Eindruck von diesem sehr spannenden und informativen Vormittag: die Maria-Montessori-Schule in Dorsten ist eine wahre Schatztruhe für Kinder und die gesamte Familie!
Gabriele Meyer-Ullrich, 2022